Ihr wisst, ich kann das nicht. Einfach so still rumsitzen, rumliegen. Nicht den ganzen Tag. Ich kann lange schlafen und fürchte mich vor dem 6 Uhr Aufstehen in ein paar Wochen. Und eine kleine Verschnaufpause ist so gemeint: Es ruhig angehen lassen. Ich muss nichts zusammenpacken und muss nicht auf die Uhr schauen. Kein Stress:…

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Pseydo-Ruhetag auf der Tour de Elbe

Ihr wisst, ich kann das nicht. Einfach so still rumsitzen, rumliegen. Nicht den ganzen Tag. Ich kann lange schlafen und fürchte mich vor dem 6 Uhr Aufstehen in ein paar Wochen. Und eine kleine Verschnaufpause ist so gemeint: Es ruhig angehen lassen. Ich muss nichts zusammenpacken und muss nicht auf die Uhr schauen. Kein Stress: Wo schlafe ich heute Nacht? Wie weit komme ich überhaupt? Darum kann ich mich morgen kümmern.

You know I can’t do that. Just sitting around quietly, lying around. Not all day. I can sleep late and dread getting up at 6am in a few weeks. And a little breather is meant to be: taking it easy. I don’t have to pack anything and I don’t have to watch the clock. No stress: Where do I sleep tonight? How far will I get? I can take care of that tomorrow.

So fuhr ich die linke Seite der Elbe hinauf bis Schnackenburg und rechtsseitig wieder zurück nach Wittenberge. Und da war der Unterschied. Es fühlte sich alles so anders an. So locker und leicht. Ach ja, ich habe kein Gepäck mitzuschleppen. So viel macht das aus. Ich war viel schneller unterwegs. Niemand der von hinten zieht. Aber es gab auch Hindernisse. Das erste war die Elbebrücke, die eine Eisenbahnbrücke ist und man als Fußgänger daneben über Holzbohlen die Elbe überqueren darf. Als Fußgänger! Das heißt: Fahrrad über 1 km schieben. Niemand kam von vorn. Ich ignorierte die Regel und polterte über die Bohlen ans Ende der Brücke.

So I rode up the left side of the Elbe to Schnackenburg and back down the right side to Wittenberge. And there was the difference. It all felt so different. So relaxed and easy. Oh yes, I don’t have any luggage to carry. It makes such a difference. I was going much faster. No one pulling from behind. But there were obstacles. The first was the Elbe bridge, which is a railway bridge and you are allowed to cross the Elbe on wooden planks next to it as a pedestrian. As a pedestrian! That means pushing a bicycle over 1 km. No one came from the front. I ignored the rule and rumbled over the planks to the end of the bridge.

Und auch hier stand fast jedes Dorf im Zeichen des Storches. Jedem Dorf sein Storchennest. Manchmal auch zwei oder drei. Ich befand mich im Niemandsland. Das heißt: Grenzland. Hier heißen die Hauptstraßen immer noch Ernst-Thälmann-Straße. Früher kam man hier ohne Passierschein nicht rein. Mit früher meine ich von 1961 – 1989. Ich befand mich im Grünen Band, dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Osten und Westen. In Aulosen erkannte ich den Block einer ehemaligen Grenzerkaserne. Heute Abstellplatz von landwirtschaftlichem Gerät. Gedenkstein Stresow – Hier befand sich mal ein Dorf, was umgesiedelt wurde. Und ziemlich häufig sieht man Kreuze, Gedenksteine für Flüchlinge, die in den Westen wollten und niedergemetzelt wurden. Ich kenne das von Berlin. Es beeindruckt mich immer wieder. In Schnackenburg, was schon zu Niedersachsen gehört, befindet sich ein kleines Grenzmuseum. Zum Anfassen: ein alter Trabi Kübel, Grenzsteine, Minen, Passierscheine…

And here, too, almost every village was under the sign of the stork. Every village had its own stork’s nest. Sometimes two or three. I was in no man’s land. That means borderland. Here the main streets are still called Ernst-Thälmann-Straße.  In the old days, you couldn’t get in without a pass. By former, I mean from 1961 to 1989. I was in the Green Belt, the former border strip between East and West. In Aulosen I recognised the block of a former border barracks. Today it is a storage area for agricultural equipment. Memorial stone Stresow – There used to be a village here, which was resettled. And quite often you see crosses, memorial stones for refugees who wanted to go to the West and were massacred. I know this from Berlin. It always impresses me. In Schnackenburg, which already belongs to Lower Saxony, there is a small border museum. You can touch it: an old Trabi bucket, boundary stones, mines, passes…

Auf dem Marktplatz traf ich meine Nachbarn aus der Pension wieder, ein Paar aus der französischsprachigen Schweiz, die sich unglaublich freuten, dass jemand Französisch mit ihnen sprach. Und ich erst. Es dauert zwar immer eine Weile, bis sich mein Gehirn umschaltet, doch dann bin ich nur stolz auf mich. Sie sind rechtsseitig der Elbe gefahren. Und wollen weiter bis Hamburg. Von Prag bis Hamburg. Wow!

In the market square I met my neighbours from the guesthouse again, a couple from French-speaking Switzerland, who were incredibly happy that someone was speaking French with them. And me first. It always takes a while for my brain to switch over, but then I’m just proud of myself. They went to the right side of the Elbe. And want to go on to Hamburg. From Prague to Hamburg. Wow!

Von Schnackenburg ging es dann zurück auf der rechten Seite. Eine ICE – Express – Fähre brachte mich hinüber ans andere Ufer. Das sind die Unterschiede zwischen den Ost- und Westländern. In Sachsen-Anhalt fahren die Fähren einfach mal nicht und lassen dich im Regen stehen, und in Niedersachsen geht es nonstop ohne Mittagspause im Affenzahn über den Fluss. Ich hätte die kurze Variante wählen können – 20 km über Straße. Aber nein, es musste die lange sein und wehtun. 30 km nur auf dem Deich an der Elbe entlang bis Wittenberge. In praller Sonne und mit Gegenwind. Ich war tot, als ich in Wittenberge einfuhr. Aber noch lange nicht tot genug.

From Schnackenburg I went back on the right side. An ICE Express ferry took me across to the other bank. That’s the difference between the East and the West. In Saxony-Anhalt, the ferries simply don’t run and leave you standing in the rain, and in Lower Saxony it’s non-stop across the river at breakneck speed. I could have chosen the short version – 20 km by road. But no, it had to be the long one and it had to hurt. 30 km only on the dyke along the Elbe to Wittenberge. In blazing sun and with a headwind. I was dead on arrival in Wittenberge. But not dead enough by a long shot.

Ich wollte mir unbedingt noch das Uhrenturmmuseum anschauen, in dem sich eine Ausstellung zur Geschichte des Singer Nähmaschinenwerks befand. Nach dem Krieg wurde dieses Werk in Veritas umbenannt und war Arbeitgeber für die Stadt Wittenberge. Das gesamte Industriegelände ist sehr beeindruckend. Und heute ist hier nichts mehr. 1991 abgewickelt von der Treuhand. Isaac Singer, der Erfinder der Singer Nähmaschine hat eine Lebensgeschichte – unglaublich. Schauspieler, Mechaniker, erfand einige Maschinen, nicht bloß die Nähmaschine. Mit der Nähmaschine hatte er nur den größten Erfolg. Ein Lebemann – 6 Frauen, zahlreiche Liebschaften und insgesamt 24 !!! eigen Kinder, die als solche auch anerkannt wurden. Wenn ich mal wieder an meiner Singer sitze, werde ich mich mit Sicherheit an diesen Typen erinnern.

I really wanted to visit the Clock Tower Museum, where there was an exhibition on the history of the Singer sewing machine factory. After the war, this factory was renamed Veritas and was an employer for the town of Wittenberge. The whole industrial site is very impressive. And today there is nothing here anymore. Liquidated by the Treuhand in 1991. Isaac Singer, the inventor of the Singer sewing machine has a life story – incredible. Actor, mechanic, invented several machines, not just the sewing machine. He only had the greatest success with the sewing machine. A bon vivant – 6 wives, numerous love affairs and a total of 24 !!! own children, who were also recognised as such. When I sit at my Singer again, I will certainly remember this guy.

Das war ein sehr erfolgreicher, abwechslungsreicher Ruhetag. Ich habe wieder viel gesehen, erlebt, erfahren, mich mit Menschen ausgetauscht, mich 50 km bewegt. Morgen geht es weiter in Richtung Norden. Und schön am Grenzstreifen entlang.

That was a very successful, varied rest day. I saw a lot again, experienced a lot, exchanged ideas with people, moved 50 km. Tomorrow I’ll continue north. And along the border strip.

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